Von der Steinzeit bis zur Neuzeit: Ausgrabungen in Bocholt-Mussum, Industriepark XXL

In den Jahren 2019 und 2020 führte die Salisbury Archäologie GmbH im Auftrag der Stadt Bocholt großflächige Ausgrabungen durch, weil ein bestehendes Gewerbegebiet (Industriepark XXL) in Bocholt-Mussum erweitert werden sollte. In 11 Monaten wurden dabei sieben verschiedene Fundstellen mit einer Gesamtfläche von etwa 3,5 ha untersucht.

Um die Arbeiten zu beschleunigen arbeiteten zeitlich parallel zwei (z.T. sogar drei) Grabungsteams auf verschiedenen Fundstellen. Die Erdbauarbeiten wurden mit zwei firmeneigenen Baggern durchgeführt.

Die erfassten Funde und Befunde sind unterschiedlichster Zeitstellung.

Die ältesten Funde deuten auf einen offenbar mehrfach genutzten mesolithischen Lagerplatz hin, während das Neolithikum nur durch einen Einzelfund einer Silexklinge sicher belegt ist. Auch die Metallzeiten lassen sich nur sporadisch fassen, darunter der Einzelfund eines bronzenen Randleistenbeiles.
Ein vollständiger Hausgrundriss stammt aus der ausgehenden Eisenzeit oder frühen Römischen Kaiserzeit.

Einige andere Siedlungsbefunde (inkl. Kleinbauten) stammen sicher aus der Römischen Kaiserzeit.

Sehr gut belegt ist das Siedlungsgeschehen im Frühmittelalter, das hier durch ein mehrphasiges Gehöft mit Häusern, Nebengebäuden und Brunnen repräsentiert wird. In der jüngsten Phase (8. Jahrhundert) existierte hier eine Schmiede, wovon neben der charakteristischer Schmiedeschlacke auch einige Messer und ein Hiebschwert (sog. Sax) zeugen.

Ab dem Hochmittelalter (bis in die jüngste Zeit) existierten auf dem Gelände zwei benachbarte bäuerliche Gehöfte, die auch schon in mittelalterlichen Schriftquellen namentlich fassbar sind: Hof Egeling und Hof Groß-Hardt (ehemals „Nijenus“).

Während der Ausgrabungen wurden in der Nähe der bestehenden Gehöfte die Reste einiger Vorgängerbauten entdeckt.

Außerdem bot hier der hohe Grundwasserspiegel außergewöhnlich gute Erhaltungsbedingen für organische Funde aus dem Mittelalter. Teils hatten sich Brunnenfassungen, Eichelkästen und sogar filigranes Flechtwerk erhalten. Darüber hinaus konnten zwei sehr ungewöhnliche Befunde festgestellt werden: Beide Höfe besaßen jeweils eine sog. Pferdeschwemme, die offenbar über Jahrhunderte genutzt wurde.

Ergänzt werden die Siedlungsfunde durch hochmittelalterliche bis neuzeitliche Grabensysteme.
Aus den Gräben konnte u.a. ein metallener Grapen und ein Kinderschuh aus Leder geborgen werden.

Die Ausgrabung der mittelalterlichen Fundstellen war aufwendig und erforderte u.a. künstliche Grundwasserabsenkungen. Ansonsten wäre eine sachgerechte Untersuchung der teilweise bis unter den Grundwasserspiegel hinabreichenden Befunde mit Holzerhaltung nicht möglich gewesen.

Im Frühjahr 2021 fand noch eine kleine Folgeuntersuchung statt.

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